Seit einem Jahr wirkt das neue Entgelttranzparenzgesetz – anders als erwartet.
Die Lohnlücke von 21% zwischen Männern und Frauen „schrie“ nach einem Gesetz, um Geschlechtergerechtigkeit im Lohnsektor zu schaffen. Die Idee des Gesetzes war: Auskunftspflicht für Arbeitgeber*innen über den Lohnspiegel der Geschlechtsgenossen in vergleichbarer Tätigkeit. Denn wer das Gehalt seiner Kollegen kennt, kann besser verhandeln und eine gerechtere Behandlung verlangen. Im Grunde eine gute Sache. Pferdefuß dabei: das Gesetz gilt nur in Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeiter*innen. Und nur, wer mindestens sechs Kollegen des anderen Geschlechts in vergleichbarer Tätigkeit hat, darf deren Mittelwert-Verdienst erfahren. Die Bedingungen schränken die Macht des Gesetzes dermaßen ein, dass es im vergangenen Jahr kaum eine Berufstätige für sich genutzt hat. In nicht einmal jeder zehnten Firma hätten Mitarbeiterinnen eine Auskunft über die Gehaltsstruktur verlangt und da, wo sie es taten, hätte es diese Anfragen oft nur vereinzelt gegeben.
„Eine Wirkung des Gesetzes ist bislang weitestgehend ausgeblieben.“
Das Magazin der Spiegel beruft sich auf eine vorliegende, noch unveröffentlichte „Randstad ifo Personalleiterbefragung“. In 91 Prozent der Firmen hätte keine Mitarbeiterin eine Anfrage eingereicht. „Eine Wirkung des Entgelttransparenzgesetzes ist bislang weitestgehend ausgeblieben“, zitieren die Autoren der Studie. Sie schlussfolgern, dass das Ziel verfehlt wurde, durch mehr Bezahlungsgerechtigkeit die Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern bei gleichen Tätigkeiten zu schließen.
Dennoch wirkt das Gesetz auf eine andere Art: Obwohl das Entgelttransparenzgesetz nur für größere Betriebe gilt, hat es laut der Befragung trotzdem zu Gehaltsanfragen in kleineren Unternehmen geführt und somit angeblich häufiger für Angleichungen gesorgt. Der Anteil der Anpassungen blieb zwar verschwindend gering – denn nur jede siebte Anfrage hätte dazu geführt, dass die Bezahlung angepasst wurde. „Interessanterweise scheint dies überwiegend auf freiwilliger Basis zu geschehen“, heißt es jedoch weiter.
Allerdings bescheinigen die befragten Personalleiter dem Gesetz, dass es zu mehr Diskussionen und einem Nachdenken bezüglich der Bezahlung geführt habe. Unternehmen sind vereinzelt sogar dazu übergegangen, bei Neueinstellungen gezielt Gehaltsunterschiede zu berücksichtigen. Unstrittig auf wessen Initiative diese kleinen Kämpfe ausgeführt worden sind. Beweist es doch nur, dass die Frauen wieder einmal selbst ihre Belange in die Hand nehmen müssen und nicht erwarten können, dass ihnen von Haus aus etwas zugestanden wird – Gesetz hin oder her.
Die Autoren bestätigten allerdings, dass der Gesetzgeber „noch nachbessern und über eine andere Ausgestaltung des Entgelttransparenzgesetzes nachdenken“ muss. Hatten wir das nicht schon vorher geahnt?